Autobus-Studie belegt: Buslenker:innen sind am Limit
Busfahren macht Freude, aber die Rahmenbedingungen bei dieser Arbeit stimmen nicht. Eine neue Studie besagt: Vielfach arbeiten die Lenker:innen an der Grenze ihrer Belastung und auch darüber hinaus.
Buslenker:innen
Große Verantwortung, Stress und Gesundheitliche Belastung – das sind die wichtigsten Aspekte, die den Beruf des Busfahrens am besten beschreiben. Herausgefunden hat das ein Forschungsteam der Universität Wien in Zusammenarbeit mit der Arbeiterkammer (AK) Wien. Ihre aktuelle Studie zum Thema „Buslenker:innen am Limit: Möglichkeiten der Jobattraktivierung aus Sicht der Beschäftigten in der privaten Autobusbranche in Österreich“ bringt klar zum Ausdruck, dass die Arbeitsbedingungen für Lenker:innen verbessert werden müssen. Vorgestellt wurde die Studie am Donnerstag von Studienautorin Emma Dowling und dem Bündnis „Wir fahren Gemeinsam“ (Gewerkschaft vida, AK Wien, Buslenker:inen, Fridays For Future und System Change, not Climate Change!).
Hintergrund der Erhebung
Die Studie „Buslenker:innen am Limit“ durchleuchtet die gegenwärtigen Arbeitsbedingungen und Beschäftigungsverhältnisse im privaten Buslinienverkehr in Österreich. Sie zeigt auf, wo und welche Veränderungen bei den Arbeitsbedingungen notwendig sind, um den Beruf Buslenker:in attraktiver zu machen. Dies ist notwendig, um bestehende Arbeitskräfte zu halten und neue für die unter Personalmangel leidende Branche zu gewinnen. Emma Dowling, Studienautorin und Assoziierte Professorin für Soziologie an der Universität Wien, betont: „Es liegt jetzt an den Sozialpartnern, in den KV-Verhandlungen zu einer Einigung hinsichtlich eines besseren Arbeitsumfeldes für die Lenker:innen zu finden, wenn man eine ausreichende Personalvorsorge für die Zukunft gewährleisten will.
Buslenker:innen am Limit
„Wir-Fahren-Gemeinsam“ und Universität Wien präsentieren eine Studie über notwendige Jobattraktivierungen in der privaten Autobusbranche.
- Zeit: 19. Dezember 2024 um 10 Uhr
- Ort: ÖGB Zentrale Catamaran, Johann-Böhm-Platz 1, Presseraum (Erdgeschoß), 1020 Wien
Im Fokus dabei stehen Beschäftigte, die unter den Kollektivvertrag für private Autobusbetriebe fallen (rund 12.000), für den die Gewerkschaft vida zuständig ist. Aufschluss über ihre Bedürfnisse gaben qualitative Interviews mit 22 Lenker:innen, sowie eine quantitative Online-Befragung, an der über 600 Lenker:innen österreichweit teilnahmen.
Zeitdruck und Personalmangel
Sowohl in den Interviews als auch in der Befragung thematisieren Lenker:innen die nicht zufriedenstellenden Rahmenbedingungen ihrer Arbeit. Sie sprechen über eng getaktete Fahrpläne, erhöhtes Verkehrsaufkommen und Personalmangel. Dies macht sich auch an den zu leistenden Überstunden bemerkbar: ein Drittel der Buslenker:innen macht laut Studie „fast täglich“ Überstunden. Im Kontext dieser Arbeitsverdichtung erwarten 81 Prozent der Befragten, dass es schwer werde, in dem Bereich künftig neue Mitarbeiter:innen zu finden. Anil Zümrüt ist Buslenker und leitet die Verhandlungen zum Kollektivvertrag (KV) für die Beschäftigten in privaten Autobusbetrieben. Er bekräftigt die Ergebnisse der Studie: „Als Buslenkerinnen und Buslenker tragen wir die Verantwortung dafür, dass tausende Menschen täglich sicher an ihr Ziel kommen. Wir sind müde und erschöpft von der Überstundenflut durch den Lenkermangel und Dienstschichten von bis zu 15 Stunden“.
Wenig Planbarkeit und schwierige Vereinbarkeit
Dass Lenker:innen oft an Sonn- und Feiertagen, sowie in der Nacht arbeiten, führt in Kombination mit häufigem Einspringen für Kolleg:innen und teilweise kurzfristigen Dienstplänen zu Schwierigkeiten. Allen voran wird hierdurch die Vereinbarkeit des Berufes mit Freund:innen, Familie, Hobbies, etc. erschwert: 91,2 Prozent (Frage „Wofür haben Sie nicht ausreichend Zeit?“) sind davon massiv betroffen. Für die Partnerschaft fehlt es 70,5 Prozent an Zeit, für die Kinderbetreuung 35,5 Prozent.
Unbezahlte Pausen
Viele Lenker:innen sind mit ihrem Grundgehalt – das Einstiegsgehalt beträgt 2.773 Euro brutto im Monat – zwar zufrieden, jedoch kritisieren sie, dass Teile der täglichen Pausen unbezahlt sind. 93 Prozent der befragten Lenker:innen geben an, es wäre für eine Attraktivierung des Berufes „sehr wichtig“ oder „wichtig“, dass alle Pausen bezahlt werden. Schließlich seien Pausen für das konzentrierte und sichere Fahren wichtig. Aktuell sieht der Kollektivvertrag vor, dass die “tägliche unbezahlte Ruhepause” höchstens eineinhalb Stunden betragen darf.
Nacht- und Sonntagsarbeit
Über drei Viertel der Befragten (76 Prozent) geben an, dass sie an Feiertagen oder am Sonntag arbeiten. Sonntagszulage erhalten sie dafür aber keine. Zudem bemängeln die Lenker:innen der Studie, dass Nachtzuschläge nur in der Zeit von 0 bis 5 Uhr bezahlt werden, obwohl viele Lenker:innen auch vor null Uhr Nachtdienst versehen. Es gibt daher den deutlichen Wunsch nach höheren Nacht- und Sonntagszuschlagsregelungen. „Muss ich kurzfristig wieder für einen Kollegen im Nachtdienst oder am Sonntag einspringen, wofür ich nicht einmal eine Zulage bekomme? Muss ich deswegen Geplantes mit Familie und Kindern wieder über den Haufen werfen?“, fragt Busfahrer Gregor Stöhr und macht die Problematik damit deutlich.
Gehaltsprogression unzulänglich
Die Löhne der Lenker:innen entwickeln sich auch bei langjähriger Berufserfahrungen kaum nach oben. So gibt es nach zehn Jahren beim selben Betrieb eine Erhöhung des Bruttomonatslohns um lediglich rund 20 Euro, nach zwanzig Jahren um etwa 40 Euro. In der Befragung nennen daher 95 Prozent der Lenker:innen als wichtigen Punkt, dass Berufserfahrung mit einer besseren Bezahlung anerkannt werden sollte.
Pausenräume und sanitäre Anlagen fehlen
Busfahrer:innen schätzen Pausenräume als Ort der Erholung und des Kontaktes mit Kolleg:innen. Viele der Befragten heben jedoch hervor, dass sie entweder gar keinen Zugang zu Pausenräumen haben oder ein solcher nur selten vorhanden ist. Ähnliche Probleme stellen sich hinsichtlich sanitärer Anlagen. Der Zugang zu einer Toilette ist oft vom Ort der Pause abhängig, kostenpflichtig oder gar nicht erst gegeben. Insbesondere weiblich Lenkerinnen empfinden das als untragbar. Die Lenker:innen wünschen sich eigens eingerichtete sanitäre Anlagen an Knotenpunkten. Studienautorin Dowling sagt dazu: „Es sollte dringend geklärt werden, ob Busunternehmen oder Verkehrsverbünde für die Bereitstellung von Infrastrukturen wie Pausenräumen und WCs verantwortlich sind; Verbesserungen der Situation sind an dieser Stelle überfällig.
Aktuelle Kollektivvertrags-Verhandlungen
KV-Verhandler Zümrüt erklärt im Hinblick auf aktuelle Verhandlungen: „Fast alle in der Studie erwähnten Probleme ließen sich umgehend von den Sozialpartnern lösen und festschreiben“. Das Verhandlungsteam der vida hat seine Forderungen in der ersten KV-Runde der Wirtschaftskammer Österreich übermittelt. Abgesehen von Lohnerhöhungen fordern sie verbindliche Zusagen, um die Rahmenbedingungen im Busbereich zu verbessern.
Gute Arbeitsbedingungen fördern auch Klimaschutz
Gregor Stöhr weist als Buslenker und Klimaaktivist abschließend auf den Aspekt der Nachhaltigkeit hin. Laut Statistik Austria macht der Individualverkehr auf der Straße in Österreich derzeit nämlich 11 Prozent des gesamten Energieverbrauchs aus. Ein weiterer Öffi-Ausbau ist daher dringend notwendig. Vor allem auch am Land, wo Buslenker:innen der privaten Autobusbetriebe hauptsächlich fahren. „Wir Buslenker:innen tragen den Öffi-Ausbau mit und deshalb ist auch für die Klimaaktivist:innen von Fridays for Future und System Change not Climate Change! klar: Der Kampf für bessere Arbeitsbedingungen im Öffentlichen Verkehr und der Klimaschutz gehen Hand in Hand“, so Stöhr.