Kein Respekt, kein Service in der Gastronomie!
Sexuelle Belästigung: Arbeitgeber in der Gastronomie schauen untätig zu.
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
Zwischen Arbeiterkammer (AK) Wien, Gewerkschaft vida und der Fachgruppe Gastronomie in der Wirtschaftskammer Wien finden Gespräche über ein Schutzkonzept gegen sexuelle Belästigung in der Arbeitswelt statt. Dafür wurde eine Online-Umfrage unter Arbeiterkammer-Mitgliedern, die in der Wiener Gastronomie tätig sind, durchgeführt. 881 Arbeitnehmer:innen haben an der nicht repräsentativen Online-Umfrage teilgenommen. Die Ergebnisse wurden am 5. April 2024 von AK Wien und vida in einer Pressekonferenz präsentiert.
79 Prozent mit Belästigung konfrontiert
Die Ergebnisse zeigen: 79 Prozent aller Frauen, die in der Gastro arbeiten, haben bereits sexuelle Belästigung erlebt oder beobachtet. Dieser Wert ist fast deckungsgleich mit einer repräsentativen US-amerikanischen Studie aus dem Jahr 2014. Demnach haben 80 Prozent aller weiblichen Servicekräfte schon einmal sexuelle Belästigung durch Gäste oder Mitarbeiter:innen im eigenen Betrieb erlebt. Auch 54 Prozent der Männer in der aktuellen Online-Umfrage gaben an, sexuelle Belästigung erlebt oder beobachtet zu haben. Insgesamt sagten 72 Prozent der Arbeitnehmer:innen, dass sie sexuelle Belästigung erlebt oder beobachtet haben. Mit 62 Prozent gibt die überwiegende Mehrheit an, dass das sogar mehrfach geschehen ist.
Arbeitgeber müssen Abhilfe schaffen
Es zeigt sich auch, dass Arbeitgeber:innen ihrer gesetzlichen Verantwortung nicht nachkommen, ihre Mitarbeiter:innen vor sexueller Belästigung zu schützen: 60 Prozent der Arbeitnehmer:innen gaben an, dass die Arbeitgeber:innen bei Fällen von sexueller Belästigung nichts taten, obwohl sie ihnen gemeldet wurden, erläutert Ludwig Dvořák, Bereichsleiter Arbeitsrechtliche Beratung und Rechtsschutz, AK Wien. „Das Gesetz sagt klar: Arbeitgeber:innen müssen in jedem Fall im Rahmen ihrer gesetzlichen Fürsorgepflicht Abhilfe schaffen. Egal ob die Täter gut zahlende Gäste, leistungsstarke Kollegen oder enge Vertraute auf Führungsebene sind. Wer hier nichts tut, macht sich mitschuldig. Dass der Arbeitgeber nichts unternimmt, ist schlicht ein Gesetzesverstoß, für den wir als AK vor Gericht Schadenersatz einfordern.“
„Sexuelle Belästigung ist ein Angriff auf die Menschenwürde.“
Olivia Janisch, vida-Frauenvorsitzende
Es braucht daher Lösungen in Form eines Schutzkonzeptes. Wir sind derzeit mit der Fachgruppe Gastronomie in Gesprächen über ein Schutzkonzept für die Branche in Wien. „Vonseiten der Arbeitnehmer:innen sagen 81 Prozent in der Online-Umfrage, dass sie sich eine klare Haltung im Betrieb wünschen, dass sexuelle Belästigung nicht toleriert wird. Eine Arbeitnehmerin hat es folgendermaßen auf den Punkt gebracht: Sie wünscht sich Info-Material unter dem Titel ,No respect, no service!‘. Aufseiten der Arbeitgeber steht der Wunsch nach Material, das direkt vor Ort eingesetzt werden kann, ebenso an erster Stelle.“
Gesetzliche Maßnahmen für alle Branchen
Die Menschen brauchen auch einen besseren gesetzlichen Schutz. Die Arbeitnehmer:innen haben in den offenen Antworten in der Umfrage gehäuft höhere Strafen, eine konsequentere Handhabung und Erleichterungen bei der Durchsetzung gefordert, bis hin zum Entzug der Gewerbeberechtigung. Mit einer von vida und AK geforderten Gesetzesänderung sollen vorbeugende Maßnahmen in Betrieben verankert werden. Wenn Betriebe nachweislich keine Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung gesetzt haben, soll der Schadenersatz auf mindestens 5.000 Euro im Falle einer sexuellen Belästigung steigen. Dass vorbeugende Maßnahmen machbar sind, wollen die Sozialpartner gemeinsam vorerst für die Wiener Gastronomie zeigen. Gesetzliche Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz brauchen die Arbeitnehmer:innen jedoch in allen Branchen.