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PSO-Verordnung: Gegen die Liberalisierung der Eisenbahnen

Eisenbahnsektor vor Privatisierung durch EU-Kommission schützen

Eisenbahn

Die EU-Kommission hat im Frühsommer 2023 die sogenannte PSO-Verordnung zur Vergabe von Eisenbahnleistungen für den Personenverkehr veröffentlicht, die drastische Auswirkungen auf den Bahnverkehr in Österreich und anderen Ländern haben könnten. Die Leitlinie besagt, dass die Direktvergabe im Eisenbahnverkehr seit 25. Dezember 2023 nur mehr in bestimmten Ausnahmefällen möglich sein wird. In Österreich und anderen Ländern ist die Direktvergabe üblich und bewährt, da sie mitunter vor kurzfristigen Entscheidungen zugunsten von Profiten schützt. Sie ermöglicht langfristige und stabile Fahrpläne, den nachhaltigen Ausbau und die Instandhaltung des Bahnnetzes und sorgt für Stabilität. Das zeigte sich bisher am deutlichsten in Krisenzeiten. Während der Pandemie wurde beispielsweise trotz niedriger Passagierzahlen das Angebot aufrechterhalten, sodass die Passagiere ohne zusätzliche Kosten zur Schule, in die Arbeit oder zum Arzt fahren konnten. Und im Frühjahr 2022 wurden nach Ausbruchs des russischen Krieges in der Ukraine kurzfristig Sonderzüge eingerichtet, um ukrainische Menschen die Flucht zu erleichtern.

"Erfolgreiche und sichere Bahnen zu opfern, würde den öffentlichen Personenverkehr gefährden und hätte gravierende negative Auswirkungen auf die Beschäftigten bei den Bahnen."

Olivia Janisch, stv. vida-Vorsitzende

Gefahr für Arbeitsplätze und Demokratie

Olivia Janisch, stv. vida-Vorsitzende, spricht sich entschieden gegen die Verordnung aus: „In Europa werden aus gutem Grund über 70 Prozent der Schienenpersonenkilometer über Direktvergabe organisiert und finanziert. Erfolgreiche und sichere Bahnen am Altar der Liberalisierungsreligion zu opfern, würde den öffentlichen Personenverkehr gefährden und hätte auch gravierende negative Auswirkungen auf die Beschäftigten und Arbeitsbedingungen bei den Bahnen.“ Das drohende Gegenmodell wäre ein Ausschreibungszwang, der sich negativ auf Arbeitsplätze, Sicherheit, leistbare Tickets und Qualität für die Fahrgäste auswirkt. Wenn ein Unternehmen, das bisher zuverlässig gearbeitet hat, eine Ausschreibung gegen einen Billigstbieter verliert, stehen viele erfahrene Eisenbahner*innen ohne Arbeitsplatz da. Und das alles zugunsten von Profiten für einige Wenige. Wettbewerbszwang auf der Schiene hätte also nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale Auswirkungen. 

Zwei Professoren für öffentliches Recht und Europarecht,  Jean-Philippe Derosier und Konrad Lachmayer, haben zu den Vergabeleitlinien ein Rechtsgutachten erstellt. Dieses Gutachten zeigt gravierende rechtsstaatliche Probleme auf. Zudem erklären die Professoren darin, wie versucht wird, mithilfe der Leitlininien demokratisch gefasste Entscheidungen im Europäischen Parlament auszuhebeln.

Negativ-Beispiel Deutsche Bahn

Die Erfahrungen aus Ländern wie dem Vereinigten Königreich, Griechenland oder Deutschland zeigen, dass die Liberalisierung des Eisenbahnsektors aufs Abstellgleis führt. Die Bahnen werden nicht effizienter. Vielmehr führt Liberalisierung zu einem schlechteren Angebot, höheren Ticketpreisen für die Fahrgäste sowie zu Lohn- und Sozialdumping für Beschäftigte. Darüber hinaus blieb oftmals die Sicherheit zu Gunsten von Gewinnoptimierungen auf der Strecke. Insgesamt zeigen die Erfahrungen mit liberalisierten Eisenbahnen auch gesamtwirtschaftliche und ökologische Abwärtstrends. Unser Bahnsystem funktioniert, meint Lukas Oberndorfer, Leiter der Abteilung für Umwelt und Verkehr der AK Wien: „Niemand in der EU fährt so viel Bahn, wie die Menschen in Österreich". Ein Blick über die Grenze zur Deutschen Bahn zeige die Folgen von Liberalisierung: Mehr Markt brachte dort weniger Verlässlichkeit und Planbarkeit.

"Eine Verschlechterung im Bahnbereich können wir uns angesichts der Klimakrise nicht leisten", so der AK-Experte. In Österreichs Klimabilanz, in der allerdings der Flugverkehr weitgehend ausgeklammert wird, gehen 99 Prozent der verkehrsbedingten Treibhausgas-Emissionen auf den Straßenverkehr zurück. "Die Direktvergabe hilft rasch, neue und dichtere Zugverbindungen zu schaffen. Ausschreibungen hingegen dauern lange und verzögern die dringend notwendige Mobilitätswende“, betont Oberndorfer.

Hintergrund zur PSO-Verordnung

Guter und niedrigschwelliger öffentlicher Verkehr ist nicht kostendeckend, sondern wird über öffentliche Gelder mitfinanziert. Die sogenannte PSO-Verordnung (Public Service Obligation, Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 bzw. 2016/2338 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße des Europäischen Parlaments und des Rates) regelt die Organisation, Vergabe und Finanzierung von gemeinwirtschaftlichen Verkehren in der EU. Diese Verordnung sieht im Eisenbahnpersonenverkehr die Wahlmöglichkeit zwischen Direktvergabe und wettbewerblicher Ausschreibung vor. 

Mehr zur Kampagne “Unsere Bahnen - Zukunft auf Schiene” finden Sie unter www.unsere-bahnen.at!