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„Keine Rücksicht auf die Gier Einzelner“

vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit über Lohnverhandlungen und starke Gewerkschaften.

vida-Magazin: Sind die Menschen mit den Lohnerhöhungen zufrieden?

Roman Hebenstreit: Solange es die Regierung nicht schafft, endlich die Inflation zu bremsen, rennen wir alle der galoppierenden Inflation hinterher. Mit den vorgezogenen Lohnverhandlungen im Herbst des Vorjahres haben wir jedenfalls zum richtigen Zeitpunkt das Richtige getan. Wir konnten ja neben dem Teuerungsausgleich auch Reallohnerhöhungen und steuerfreie Teuerungsprämien erreichen. Dabei sind wir auch als Gewerkschaft stärker geworden. Das ist wichtig, gilt es doch im zunehmend härter werdenden Verteilungskampf auch darum, die Position der arbeitenden Menschen zu stärken. Mehr als 80.000 Arbeitnehmer:innen sind 2022 dem ÖGB beigetreten. Die Menschen setzen wieder verstärkt Vertrauen in ihre Gewerkschaften. Die Arbeitnehmer:innen wissen, gerade in Krisenzeiten braucht es starke Gewerkschaften, die sich für den Erhalt der Kaufkraft und für ein gutes Leben für alle einsetzen. Daher meine Bitte: Wenn ihr jemanden kennt, der noch nicht Gewerkschaftsmitglied ist, dann überzeugt ihn von den Vorteilen eines Beitritts. Denn je mehr wir sind, desto stärker sind wir auch in den Lohnverhandlungen!

vida-Magazin: Was braucht es jetzt noch gegen die Teuerung?

Roman Hebenstreit: Wir brauchen nachhaltige Maßnahmen durch die Bundesregierung. Umfragen vom Frühjahr zeigen, dass sich über zwei Drittel der Menschen im Land durch die diversen Hilfszahlungen nicht entlastet sehen. Die Einmalzahlungen der Bundesregierung sind rasch verpufft und haben nicht zur Senkung der Inflation beigetragen – ganz im Gegenteil! Nach den neuen Armutsdaten der Statistik Austria waren 2022 über 1,5 Millionen Menschen von Armut oder Ausgrenzung bedroht. Auch diese gestiegene Zahl belegt das Regierungsversagen in der Teuerungskrise. Der Anteil der Menschen, die mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für Wohnen ausgeben müssen, ist wegen der hohen Inflation gestiegen. Aus diesem Grund haben wir als Gewerkschaften auch eine Mietpreisbremse gegen die jährlichen Erhöhungen der Mieten gefordert. Bis heute konnten sich ÖVP und Grüne in der Bundesregierung nicht auf eine solche Bremse einigen. Übrigens genauso wenig, wie auf ein Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel und ein vernünftiges Preismonitoring.

vida-Magazin: Heizen hohe Lohnforderungen nicht auch die Inflation an?

Roman Hebenstreit: Ich sehe das vielmehr so wie viele Wirtschaftsforscher auch, dass ein beträchtlicher Teil der Inflation von der Profitgier mancher Branchen und Unternehmen angefeuert wird. Nicht selten wurden bekanntlich Preise deutlich stärker erhöht, als es die Kosten rechtfertigen würden. In fast allen EU-Staaten ging die Inflation schon deutlich zurück, während sie sich bei uns kaum nach unten bewegt hat. Den Verdacht, dass die Preissteigerungen in Österreich zum Gutteil nichts anderes als eine sogenannte Gierflation sind, belegen auch aktuelle Studien.

vida-Magazin: Was heißt das jetzt für die Gewerkschaften?

Roman Hebenstreit: Als Gewerkschaft bestätigt uns das in unserem Kampf um faire Löhne. Die von uns geforderten Erhöhungen konnten den Lebensstandard absichern. Unsere Arbeit geht aber weiter. Die nächsten Lohnverhandlungen kommen spätestens im Herbst. Es gilt, die Löhne und Kollektivverträge weiter zu verbessern und damit auch die Kaufkraft und die Einkommen der Menschen weiter zu sichern – auf die Profitgier Einzelner werden wir dabei mit Sicherheit keine Rücksicht nehmen! In diesem Sinne wünsche ich allen vida-Mitgliedern und ihren Familien eine schöne und erholsame Urlaubszeit. Gleichzeitig danke ich allen Arbeitnehmer:innen in den vida-Branchen, die auch in den Sommerferien arbeiten müssen, für ihren Einsatz, um anderen Urlaub zu ermöglichen.


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