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Großer Truck, großer Druck

Willkommen in der Arbeitswelt der Lkw-Fahrer:innen. Eine vida-Reportage - mit Video.

Lkw-Fahrer:innen erzählen von der großen Freiheit entlang der Straße. Doch nicht alles, was in der Branche glänzt, ist letztlich Gold. Im Gegenteil: Der Druck auf Trucker wächst und  wächst. Eine vida-Reportage in Wort und Bild.

Wer nach Italien oder Kroatien auf Urlaub fährt, der weiß, was bevorsteht: Zehn Stunden Autofahrt. Doch im Süden angekommen, wird man zumindest mit Sonne, Strand und Meer belohnt. Wenn Björn Speijer zehn Stunden fährt, dann ist es üblicherweise Arbeit. Es war  wieder einmal eine jener Touren, für die der im Waldviertel ansässige Niederländer statt der üblichen elf bis zwölf Stunden 17 Stunden gebraucht hat. „Und das ist nur eine Etappe, aufgeteilt auf zwei Arbeitstage“, erzählt der 62-Jährige, der leidenschaftlicher Trucker ist. Ein Unfall war der Grund dafür, dass auf der Autobahn Richtung Passau für mehrere Stunden nichts mehr ging. „Das gehört zu unserem Job dazu“, so Björn. Zuvor hatte er schon aufgrund einer Baustelle einiges an Zeit liegengelassen. Doch irgendwann war das Ziel in Passau erreicht und Björn konnte sein Transportgut – tonnenschweres Getreide – zum Entladen freigeben.

Fahren gegen die Zeit

„Es ist wirklich keine große Sache, zwar ärgerlich, aber keine große Sache“, erzählt Björn. „Ich arbeite zum Glück in einem Unternehmen, wo man nicht die ganze Zeit den Chef im Rücken hat, der Druck macht“, sagt der Lkw-Fahrer und deutet auf zwei Trucks weiter drüben am Rastplatz. „Vor allem die Kolleginnen und Kollegen aus dem ehemaligen Ostblock fahren unter extremem Zeitdruck. Deren Firmen zerstören obendrein mit Billig-Transporten den Markt“, erzählt Björn. Dieses Sozialdumping kritisiert auch die Gewerkschaft vida. „Viele Speditionen aus Drittstaaten gehen mit Dumpingpreisen hinaus. Irgendwer leidet aber immer. In dem Fall sind es die Fahrer:innen, die unter höchstem Zeitdruck und oft ohne Pause fahren müssen. Das ist natürlich auch ein Sicherheitsrisiko“, erklärt Markus Petritsch, Vorsitzender des Fachbereichs Straße in der Gewerkschaft vida. „Wir sind hier seit Jahren am Intervenieren, dass die Politik eingreift. Es kann nicht sein, dass auf Kosten der Beschäftigten die Preise nach unten gedrückt werden.“

Zwischen Sonne und Eis

Seit mehr als 20 Jahren ist Björn mit seinem Truck in halb oder besser gesagt ganz Europa unterwegs. Im Moment ist seine Stammstrecke Graz – Ostdeutschland – Graz. „Manchmal lege ich aber schon mittendrin einen Stopp bei mir zu Hause im Waldviertel ein“, erzählt der Lkw-Fahrer. „Es ist nicht immer etwas von Deutschland nach Graz oder umgekehrt zu bringen – eine Strecke umfasst knapp 800 Kilometer“, berichtet er. Bei jedem Wetter ist Björn auf den Straßen unterwegs, ob bei 35 Grad Hitze im Sommer oder bei Minusgraden samt Schneefall und Eis im Winter. „Wir arbeiten, indem wir fahren. Und vieles ist dabei unberechenbar. Es gibt praktisch keine Fahrt, wo nicht irgendwas passiert, was eine Herausforderung ist“, verweist der Trucker nicht nur auf das Wetter, sondern zum Beispiel auch auf andere Autofahrer:innen. „Ich sag einmal so: Ich freue mich, wenn einmal ein Pkw für mich bremst, damit ich mich einordnen kann auf der Autobahn. Das kommt nämlich leider selten vor. Viele bedenken nicht, dass es leichter ist, wenn sie bremsen anstatt ich mit einem 40-Tonner auf acht Rädern.“

Wie viele Hunderttausend Kilometer er schon gefahren ist, kann Björn nicht sagen. „Ich habe irgendwann zu rechnen aufgehört. Ich kann nur sagen, dass mir der Job noch immer richtig Spaß macht.“ Was Björn nicht so Spaß macht? Die Infrastruktur entlang der Straßen, wobei es große Unterschiede gibt, berichtet er. „Ich manchen Gegenden musst du schon froh sein, wenn du überhaupt eine Dusche findest“, kann der Lkw-Fahrer noch lachen und betont, dass er gerne für Infrastruktur bezahlt. Dann müsse sie aber auch einen gewissen Standard haben. Die Gewerkschaft vida fordert hier eine Art Infrastrukturmaut, mit der dringend benötigte Sanitäranlagen errichtet sowie leistbare Verpflegungs- und Unterkunftsmöglichkeiten geschaffen werden könnten. Für diese soll ein Cent aus dem Lkw-Mautaufkommen in eine Genossenschaft eingebracht werden, die sich um die Sozialinfrastruktur kümmert. Zur Infrastruktur gehören auch Sicherheitsmaßnahmen wie etwa Video-Überwachung, immerhin verbringen die Lkw-Fahrer:innen ihre Arbeitszeit meistens allein.

Laster und Liebe

Alles andere als allein ist man hingegen beim Trucker-Treffen im niederösterreichischen Bischofsstetten. Aus nah und fern pilgern Hunderte Trucker und jene, die es noch werden wollen, zum Treffen und das mittlerweile seit sechs Jahren. Man spricht hier über alles und die Branche. Eine Branche, in der sich vieles verändert hat, und das nicht unbedingt zum Positiven, wie Anita und Christian Gumpenberger betonen. Die beiden haben sich beim Lkw-Fahren kennen und lieben gelernt und sind mittlerweile seit über 20 Jahren ein Paar. Dass eine Beziehung mit so einem Arbeitsalltag nicht immer einfach ist, können Anita und  Christian bestätigen. „Da mein Mann und ich in der gleichen Branche arbeiten, gibt es da keine großen Themen. Aber diese Akzeptanz an sich ist nicht selbstverständlich. Man versteht es auch nur, wenn man selbst tagelang auf Achse und nicht zu Hause ist“, betont die 49-Jährige, die ihren Job nach wie vor liebt. Es hat sich aber in den letzten Jahren einiges geändert. „Der Druck wird einfach immer größer“, berichtet Anita. „Früher hattest du zumindest etwas mehr Zeit für Auslieferungen. Heute ist das ganze System genau getaktet und auf die Beschäftigten wird vergessen“, erzählt die Truckerin und betont, dass der Druck heute die langen Fernfahrten früher waren. „Obwohl der Vergleich nicht stimmt, weil selbst lange Fernfahrten nicht so hart waren wie der Druck heute, der auf vielen Kolleginnen und Kollegen aus dem ehemaligen Ostblock lastet.“

Zuerst beklatscht, dann vergessen

Dass der Druck enorm ist, unterstreicht auch Wolfgang Zehetner. „Natürlich, man sucht sich seinen Job aus. Aber einerseits wurden wir während Corona als systemrelevant beklatscht, andererseits, sobald die Pandemie vorbei war, hat die Politik aber wieder auf uns  vergessen“, so der 43-jährige Trucker, der sich wünscht, dass noch viel mehr Beschäftigte der Gewerkschaft beitreten. „Na sicher, je mehr sich der Gewerkschaft anschließen, desto mehr können wir bewegen. Wir können nur gemeinsam genug Druck erzeugen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Und es gehört einiges verbessert.“

Noch immer Spaß am Steuer

Was Anita, Christian, Wolfgang und Björn eint: Trotz aller Widrigkeiten, die der Job mit sich bringt, macht die Arbeit hinter dem großen Steuer auch nach vielen Jahren Spaß. „Mein Papa ist schon mit dem Lkw gefahren. Da war klar, dass ich auch in die Branche gehe. Ich habe mein Büro praktisch immer mit dabei und bin mein eigener Chef, was ein Riesenvorteil ist“, erklärt Wolfgang Zehetner – auch seine Kolleg:innen erzählen ähnliche Geschichten. Und wenn der Job Spaß macht, dann vergehen auch die zehn Stunden Fahrt bis zum nächsten Abladen wie im Flug

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